Türchen 9

Erfundene Geschichten rund um das große Geschäft bei den Mädels. Hier könnt Ihr Eurer Fantasie freien Lauf lassen!
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bluemoon
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Türchen 9

Beitrag von bluemoon »

9.

Mutlos ritten wir an der hohen Mauer entlang und hofften, irgendwo wenigstens einen schützenden Vorsprung zu finden. Antoinette wurde immer schwächer und bald mussten wir wieder anhalten.
Ein Soldat der Stadtwache patrouillierte über uns auf den Zinnen und pfiff unbekümmert ein Liedchen vor sich hin. Im ersten Augenblick wallte Zorn in mir auf.
Dann erkannte ich verblüfft die Melodie von „Yellow Submarine“.
„Heda!“, rief ich hinauf, „wirf uns mal ein gelbes U-Boot runter! Wir können’s brauchen bei dem Sauwetter.“
Das Pfeifen endete abrupt und der Umriss eines Kopfes tauchte über der Mauer auf.
„Was hast du gesagt?“, rief er verblüfft.
„Ich sagte, wir brauchen ein U-Boot! Zur Not tun’s aber auch ein Krankenwagen, ’n paar Fritten und ’ne Cola.“
Er lachte. „Welches Jahr?“, rief er die Standardfrage aller Zeitreisenden herunter.
„Anno 2041“, antwortete ich, „und du?“
„1987. Was hat euch denn hierher verschlagen?“
„Lange Geschichte“, entgegnete ich, „wir brauchen dringend eine trockene Unterkunft. Mein Freund hier ist verletzt.“
Der Kopf verschwand und kurze Zeit später knirschten schwere Scharniere neben uns. In der dunklen Mauer öffnete sich eine schmale Tür und der Wächter winkte uns herein.
Unbehelligt gelangten wir durch die dunklen Gassen zu einem windschiefen, etwas zurückgesetzt stehenden Haus. Der Soldat pochte an die Tür, bis von innen eine kleine Klappe geöffnet wurde und ein kugelrunder Kopf mit Zipfelmütze verschlafen herauslugte. Neben dem Kopf erschien eine fleischige Hand mit einer brennenden Kerze.

Als das Männchen den Wächter erkannte, schlug es rasch die Klappe zu. Von drinnen hörte man schwere Riegel, die zurückgeschoben wurden, dann öffnete sich endlich die Tür.

Antoinette klappte zusammen, als sie versuchte, aus dem Sattel zu steigen. Ich konnte sie gerade noch auffangen, bevor sie auf dem Boden aufschlug. Zu dritt schleppten wir sie nach drinnen, eine enge Stiege hinauf und in eine winzige Kammer.
Obwohl ich vor Sorge außer mir war, bemerkte ich doch, dass der Raum blitzsauber gefegt und das Bett mit frischen Laken bespannt war.
Mein Zeitreise-Kollege half mir, den blutdurchtränkten Verband abzunehmen. Zum Glück war Antoinette ohnmächtig, sodass ich hoffte, dass sie keine Schmerzen spürte.
„Au, da hat es deinen Knappen aber übel erwischt!“
Ich erzählte ihm von dem Überfall der Wegelagerer und dass sie mir das Leben gerettet hatte.
„Sie?“, fragte er verwundert.
„Äh, ER natürlich! Ich bin wohl völlig übermüdet“, stotterte ich rasch.
Er sah mich seltsam an, fragte aber nicht weiter.
„Soll ich einen Bader holen? Oder brauchst du Medikamente?“
„Nee, lass mal den Bader lieber. Der würde Antoine vermutlich umbringen. Und Pillen helfen hier auch nicht weiter. Aber hast du vielleicht sterile Binden und Wundauflagen?“
Er nickte. „Ich schicke dir was. Jetzt muss ich aber schleunigst wieder auf meinen Posten zurück. Übrigens kannst du dem Wirt vertrauen. Er ist zwar keiner von uns, schuldet mir aber noch was.“ Väterlich klopfte er mir auf die Schulter und polterte die Treppe hinunter.

Antoinettes Wunde war weniger dramatisch, als es zunächst den Anschein hatte. Die Naht hatte gehalten. Als ich sie wieder fest verbunden hatte, erwachte sie aus ihrer Ohnmacht.
„Wie fühlst du dich?“, fragte ich besorgt.
„Wie dreimal gefressen und ausgeschissen“, ächzte sie, „wo sind wir?“
„In Speyer. Bequem und sicher wie in Mutters Stübchen“, entgegnete ich lächelnd.
Die flatternden Augenlider schlossen sich und sie glitt wieder in tiefen Schlaf.

Nachdem ich die Pferde versorgt und beim Wirt ein Frühstück bestellt hatte, kroch ich erschöpft zu ihr unter die Decke und schlief traumlos.
Am Morgen erhob ich mich leise, um Antoinette nicht zu wecken und blickte mich suchend im Zimmer um.
„Der Nachttopf steht unter dem Bett, falls du den suchst“, sagte sie mit geschlossenen Augen.
Ich angelte ihn hervor und versuchte, mich in dem engen Raum so weit wie möglich in eine Ecke zu drücken. Gar nicht so einfach bei meiner Körpergröße und den schrägen Wänden.
„Dreh‘ dich gefälligst um beim Pissen!“, knurrte sie, „schließlich ist eine Dame anwesend.“
Gehorsam versuchte ich, mich noch etwas weiter abzuwenden.
„Anders herum, du Dummkopf!“, schimpfte sie.
Jetzt war ich also vom „Herrn“ nahtlos zum „Dummkopf“ degradiert worden …
Sie grinste anzüglich und guckte interessiert zu, als ich nun breitbeinig vor ihr stand und zielsicher in den Pott traf.

Ich schüttelte ab und machte mich erneut auf die Suche: Blickte unter das Bett, öffnete einen schmalen Schrank.
„Was suchst du denn jetzt?“, fragte mein Rotschopf ahnungslos.
„Du hast gesagt, eine Dame sei anwesend. Ich kann sie aber nicht finden …“
Ein Wutschrei ertönte und ich konnte mich gerade noch mit einem Sprung zur Tür hinaus retten, bevor ein Kerzenleuchter an die Stelle krachte, an der ich eben noch gewesen war.
Gut gelaunt stieg ich die Treppe hinunter.
Der Wirt erwartete mich bereits und versuchte, neugierig an mir vorbei zu spähen, was es wohl mit dem Krach auf sich hätte.
„Ein schönen guten Morgen, edler Herr! Wünscht Ihr nun zu frühstücken?“
Jetzt ging das schon wieder los mit „Herr“! Ob er auch bald „Dummkopf“ zu mir sagen würde?
„Ja, ich nehme das Essen mit nach oben“, beschied ich ihn.
Außerdem hatte mein Kollege aus der Tempus-Organisation Wort gehalten und ein Paket bringen lassen.

Das Bündel unter den Arm geklemmt, und mit einem voll beladenen Tablett in den Händen, stieg ich wieder hinauf. Vorsichtig schob ich mit dem Fuß die Tür auf und blieb sicherheitshalber in Deckung.
„Wenn du noch etwas nach mir wirfst, bekommst du kein Frühstück“, warnte ich Antoinette.
Sie lachte und ich trat ein.
Das Tablett enthielt frisches Brot, Wurst, Käse, ein Stück kaltes Fleisch, Butter und gekochte Eier. Wir schlangen alles hinunter wie Verhungernde.
Anschließend versorgte ich die Wunde, die kaum mehr nachgeblutet hatte. Das Bündel des Wächters enthielt sterile Kompressen aus den 1980er Jahren. Die waren zwar nicht ganz so elastisch wie die Bio-Kunststoffe, die es zu meiner Zeit gab, erfüllten aber ihren Zweck.
Pipihannes
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Re: Türchen 9

Beitrag von Pipihannes »

Hallo

Da es bisher noch keiner getan hat, hole ich heute mal die Geschichte nach oben.

Wünsche allen viel Spaß beim lesen.

LG Pipihannes
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lunacy
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Re: Türchen 9

Beitrag von lunacy »

"Bio-Kunststoffe".... genial! :lol:

Jaja, wer weiss was das Jahr 2041 noch für Überaschungen parat hat...
Schön dass es Antoinette besser geht, das lässt hoffen für den weiteren Verlauf der Story. :)
Viele Grüße von
lunacy 8-)
Benutzer 2042 gelöscht

Re: Türchen 9

Beitrag von Benutzer 2042 gelöscht »

Die Nachtwache, die "Yellow Submarin" singt . . . köstlich!
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