Türchen 21

Erfundene Geschichten rund um das große Geschäft bei den Mädels. Hier könnt Ihr Eurer Fantasie freien Lauf lassen!
Antworten
Benutzeravatar
bluemoon
Moderator
Beiträge: 578
Registriert: 17 Jul 2014, 11:13
Geschlecht:

Türchen 21

Beitrag von bluemoon »

21.

Der restliche Text wiederholte die Mitteilung, die ich in Heidelberg erhalten hatte, und erweiterte sie: Ich sollte einen gewissen Johannes Gensfleisch aufsuchen und ihn dazu bringen, eine Maschine nach den beiliegenden Konstruktionsplänen zu bauen. Der Typ würde sie dann als seine eigene Erfindung vermarkten. Das Begleitschreiben sei umgehend zu vernichten.

Ich seufzte. Das hörte sich dermaßen langweilig an …
Antoinette hatte inzwischen den Behälter genauer untersucht und einen doppelten Boden entdeckt, in dessen Zwischenraum Silbermünzen steckten. Nicht besonders viele, aber wir würden damit einige Zeit ganz ordentlich leben können.

Wir schliefen beide nicht gut in dieser Nacht. Auch Antoinette befürchtete wohl, dass unsere gemeinsame Zeit zu Ende ging.
Am nächsten Morgen machte ich mich schweren Herzens auf den Weg zur bischöflichen Münzpräge-Werkstatt, in der Gensfleisch als Meister angestellt war.
Als ich mich endlich durchgefragt hatte, stand ich vor einem kleinen, bärbeißigen Kerl mit Halbglatze, von Metallstaub schwarz verfärbter Haut in einer schweren, speckigen Lederschürze.
„Seid Ihr Johannes Gensfleisch?“, fragte ich höflich.
„Wer will das wissen?“, fuhr er mich schlecht gelaunt an.
„Äh, Pirmin von der Grün, Verzeihung“, antwortete ich.
„Was willst du von mir?“, raunzte er mich an, während sich die roten Äderchen an seiner Nase dunkel verfärbten.
„Ich habe hier ein paar Zeichnungen, die Euch bestimmt interessieren werden. Ich möchte gerne, dass Ihr einen Blick darauf …“
„Zeichnungen?“, zischte er gefährlich leise und der Jähzorn stieg ihm ins Gesicht, „sehe ich etwa aus wie ein Hanswurst von einem Maler?“
„Äh, nein, es handelt sich nicht um Kunst“, stotterte ich, „aber es sollte auch nicht gleich jeder wissen …“
„Scher dich fort!“, brüllte er nun, „du stiehlst meine Zeit und hältst mich von ehrlicher Arbeit ab!“

Himmel, so eine gründliche Abfuhr hatte ich selten erlebt.
Ich beschloss, abends zur Stelle zu sein, wenn er Feierabend machte. Vielleicht wurde er zugänglicher, wenn ich ihm ein paar Bier spendierte. Dem Alkohol schien er jedenfalls nicht abgeneigt.

Tatsächlich latschte er sofort in die nächste Kneipe, nachdem er seine Werkstatt sorgfältig verrammelt hatte. Offenbar hielt er nichts davon, sich zu Hause erst einmal frisch zu machen und saubere Kleider anzuziehen. Er betrat die wenig einladende Taverne, steuerte einen freien Tisch im hinteren Teil an und ließ sich auf die Bank sinken.
Der nervöse Wirt stellte ihm sofort einen Krug Bier hin und eilte zurück in die Küche.

Ich trat an den Tisch. „Darf ich mich einen Moment zu Euch setzen?“
„Du schon wieder?“, raunzte er misstrauisch.
Ich nahm das als Einladung und setzte mich.
„He, Wirt!“, schrie ich über das Stimmengewirr, „bringt noch zwei kühle Krüge für Meister Gensfleisch und mich!“
Der Münzer musterte mich aus kalten Augen, widersprach aber nicht.
„Würdet Ihr nun freundlicherweise einen Blick auf die Pläne werfen?“, fragte ich den Miesepeter so freundlich wie möglich.
„Warum sollte ich?“, knurrte er.
„Weil diese Erfindung Euer Leben verändern wird!“, rief ich und versuchte, denselben enthusiastischen Tonfall in meine Stimme zu legen, wie der Vertreter, der mir seinerzeit eine zweite Hausratversicherung aufgeschwatzt hatte.
Anscheinend war ich wenig überzeugend.
Der Grobian musterte mich wortlos und trank mein Bier.
Ich bestellte ihm noch eins und breitete die Zeichnungen vor ihm aus.

„Was zum Henker soll das sein?“, fragte er uninteressiert und stellte den Humpen mit Schwung auf die Pergamente, sodass sich ein nasser Fleck darauf ausbreitete.

„Das“, offenbarte ich mit großer Geste, „sind die Konstruktionspläne für eine Druckpresse mit beweglichen Lettern.“
Er war wenig beeindruckt. „Und wozu soll das gut sein?“, fragte er mit einem gruseligen Funkeln in den Augen.
„Nun, stellt Euch vor, Ihr baut diese Maschine und Ihr druckt damit Bücher!“, rief ich begeistert, „Bücher in großer Stückzahl. Niemand muss mehr mühsam Buch für Buch von Hand kopieren. Nein, Bücher können schnell und kostengünstig hergestellt werden. Die Bibliotheken der Welt werden Euch die Kopien aus der Hand reißen. Ihr hättet für immer ausgesorgt!“
Ich hätte Gebrauchtwagen- oder Teppich-Händler werden sollen.
Der jähzornige Knabe packte mich am Kragen.
„Jetzt hör mir mal gut zu, du halbe Portion“, zischte er und blies mir seinen fischigen Atem ins Gesicht. „Ich bin Meister der bischöflichen Münze und Goldschmiede. Auf Lebenszeit.“
Seine Stimme wurde immer lauter und schon blickten die ersten Gäste belustigt zu uns herüber. „Meine Aufgabe ist es, aus edlen Metallen mit Hammer und Prägestock Münzen herzustellen. Münzen, Geld, Geschmeide! Ich gebe mich nicht mit irgendwelchen Schriften ab, die von schlaffen Mönchen in klammen Schreibstuben auf Pergament gekratzt werden!!“
Den letzten Satz schrie er in beängstigender Lautstärke und schüttelte mich wie einen nassen Lappen.
Trotz seiner Trunksucht hatte er ungeheuer starke Armmuskeln. Kein Wunder, schwang er doch Tag für Tag den schweren Prägehammer.
Ich versuchte, mich nicht einschüchtern zu lassen. „Aber stellt Euch doch vor, Ihr könntet mit der Druckpresse Bibeln drucken!“, startete ich einen letzten verzweifelten Versuch, „Bibeln, die sich jeder leisten kann! Jedermann könnte dank Euch eine eigene Bibel besitzen!“
Er brüllte auf wie ein verwundeter Löwe. „Du wagst es? Du schlägst mir allen Ernstes vor, ich solle die Heilige Schrift als billige Massenware unters Volk werfen? Dich hat der Teufel geschickt! Geh mir aus den Augen! Wenn du mir noch einmal in die Quere kommst, reiße ich dir die Glieder einzeln aus!“

So weit zum unrühmlichen Ende meines Verkaufsgespräches. Als ich wieder zu mir kam, lag ich in der Gosse vor der Schenke, die wertvollen Pergamente um mich herum im Dreck verstreut.
Als ich mich stöhnend und hinkend in unsere Kammer schleppte, untersuchte Antoinette fachmännisch meine Blessuren.
„Wie viele haben dich überfallen?“, wollte sie wissen.
Sollte ich jetzt wirklich „einer“ antworten?
Pipihannes
Beiträge: 419
Registriert: 14 Jan 2016, 05:25
Wohnort: Hamburg
Geschlecht:

Re: Türchen 21

Beitrag von Pipihannes »

Hallo

Na jetzt wirds interessant.
Erfindung der Druckerpresse mal anders. :lol:
Bloß dass der Erfinder das garnicht will. :(

Toller Einfall bluemoon. :D

Also als Mitglied deiner Fangemeinde: Nach oben mit dem Teil. ;)

LG Pipihannes
Benutzeravatar
lunacy
Moderator
Beiträge: 1967
Registriert: 24 Aug 2015, 15:49
Wohnort: Niedersachsen
Geschlecht:

Re: Türchen 21

Beitrag von lunacy »

Gensfleisch - Guttenberg... :lol:

Ja, schade, es geht dem Ende zu... aber drei Teile haben wir ja noch vor uns. Übrigens, geht es euch auch so, dass die Adventszeit nur so dahingeflogen ist? Ich hab es vor lauter Arbeit noch nicht mal auf ne Feuerzangenbowle auf den Weihnachtsmarkt geschafft...
Viele Grüße von
lunacy 8-)
Benutzeravatar
bluemoon
Moderator
Beiträge: 578
Registriert: 17 Jul 2014, 11:13
Geschlecht:

Re: Türchen 21

Beitrag von bluemoon »

Ja, der olle Gensfleisch (https://de.wikipedia.org/wiki/Johannes_Gensfleisch): "Der Aufenthaltsort und die Tätigkeiten Gutenbergs in den 1420er Jahren sind unbekannt. [...] Ab 1434 und bis 1444 lässt sich der Aufenthalt von Gutenberg in Straßburg belegen." Das sind die schönen Lücken in der Geschichtsschreibung, die man mit eigener Fantasie füllen darf ;)
Dass mit dem Kerl nicht gut Kirschen essen war, steht ein Satz weiter: "Um ausstehende Rentenzahlungen der Stadt Mainz einzufordern, veranlasste er im März 1434 eine Schuldhaft des durchreisenden Mainzer Stadtschreibers Nikolaus Wörstadt." - Liegt irgendwie nahe, aus ihm einen verschlagenen Trunken- und Raufbold zu machen...

Aber das war jetzt völlig OT, sorry ;)
Benutzeravatar
lunacy
Moderator
Beiträge: 1967
Registriert: 24 Aug 2015, 15:49
Wohnort: Niedersachsen
Geschlecht:

Re: Türchen 21

Beitrag von lunacy »

bluemoon hat geschrieben:Aber das war jetzt völlig OT, sorry ;)
Kein Problem, ich mag Hintergrundwissen! ;)

Du hast wirklich sehr viel Akribie in die Forschung und Hintergrundarbeit gesteckt, das muss echt mal gewürdigt werden! DANKE!!!
Viele Grüße von
lunacy 8-)
Benutzeravatar
bluemoon
Moderator
Beiträge: 578
Registriert: 17 Jul 2014, 11:13
Geschlecht:

Re: Türchen 21

Beitrag von bluemoon »

Ach, die Forschung macht ja auch Spaß. Vor allem wenn man dabei Dinge wie die "auf Besenstielen fliegenden Hexen" entdeckt... Mann, muss das gebrannt haben im Arsch ;)
Pipihannes
Beiträge: 419
Registriert: 14 Jan 2016, 05:25
Wohnort: Hamburg
Geschlecht:

Re: Türchen 21

Beitrag von Pipihannes »

Hallo bluemoon

Noch mal vielen Dank für die Hintergrundinfo.
Das mit den Hexen war mir neu.

LG Pipihannes
Antworten