Türchen 13

Erfundene Geschichten rund um das große Geschäft bei den Mädels. Hier könnt Ihr Eurer Fantasie freien Lauf lassen!
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bluemoon
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Türchen 13

Beitrag von bluemoon »

13.

Ich zog den mobilen Herzmonitor heraus und schloss ihn an. Die Kurve, die er zeigte, gefiel mir gar nicht.
Hatte ich einen Fehler gemacht? Etwas übersehen? Reagierte das Mädchen mit einem anaphylaktischen Schock auf das Antibiotikum?
Schweiß rann mir den Rücken hinab. Für so etwas war ich weder ausgebildet, noch hatte ich genügend Erfahrung.

Ein grelles Pfeifen gellte ohrenbetäubend durch den Raum. Ich brauchte nicht hinzusehen, um zu wissen, was der Monitor zeigte: Kammerflimmern.
Sekunden später schaltete der Alarm eine Oktave höher und eine Null-Linie erschien.
Verfluchte Scheiße!
Ich warf mich mit meinem ganzen Gewicht auf den Oberkörper des Kindes. Fünf, sechs mal quetschte ich das kleine Herz zusammen.
Die Linie des Gerätes zuckte, brach wieder ein.

Aus dem Augenwinkel sah ich, wie die alte Hexe ihren Stock beiseite schleuderte und sich mit einem grässlichen Geräusch auf die Knie fallen ließ. Sie hielt ihre verkrümmten Hände über den Kopf des Mädchens und begann, Zaubersprüche zu murmeln.

Ich hatte inzwischen ein Dutzend Druckmassagen hinter mir und immer noch zeigte der Monitor keine Regung. Antoinette starrte mich aus angstgeweiteten Augen an.
„Kochsalz im Schuss, den ganzen Beutel!“
Sie ließ den Beatmungsbalg fallen und wechselte mit fliegenden Fingern die Infusionen.
Den Tropfregler drehte sie bis zum Anschlag auf.
„50 ml Adrenalin und steck die längste Kanüle auf die Spritze.“
Mit raschen, präzisen Bewegungen reichte sie mir das Besteck.
Ich tastete im Rippenbogen nach der richtigen Stelle neben dem Magen, rammte die lange Nadel ins Herz des Kindes und drückte den Kolben bis zum Anschlag herunter.

Als ich die Kanüle wieder herausriss, zeigte ein hoch aufspritzender, dünner, hellroter Blutstrahl, dass ich getroffen hatte.
Ich ließ die Spritze fallen, setzte die Herzdruckmassage fort, den Monitor nicht aus den Augen lassend.
Einmal, zweimal – nichts.
Noch einmal!
War da nicht ein Ausschlag?
Eine winzige Zacke geisterte über den Bildschirm.
Und noch eine.

Beide Handballen auf den Brustkorb gepresst, wartete ich mit angehaltenem Atem.
Da! Wieder! Und noch eine.
Der Alarm brach ab, piepte zögernd.
Die Spitzen wurden höher, regelmäßiger und nun spürte ich den Herzschlag auch unter meinen Händen.

„Wir haben sie“, flüsterte Antoinette andächtig, während Tränen über ihr Gesicht und Rotz aus der Nase liefen.
Nun hörte auch die Alte mit dem Gemurmel auf.
Wir sahen uns alle drei an, konnten das Wunder nicht fassen.

Ein leises Zischen verriet, dass das Kind nun auch wieder selbstständig atmete.
Vorsichtig entfernte ich den Tubus.
Antoinette ging zur Mutter des Kindes hinüber, die immer noch völlig abwesend und mit geschlossenen Augen kniete. Hinter ihr kauerte der Junge, der uns hergeführt hatte. Sie schloss die beiden in die Arme. „Sie lebt“, sagte sie nur.

Als ich den nun leeren Infusionsbeutel abnahm und stattdessen wieder die Glukoselösung anschloss, zitterten meine Beine. Vor Erschöpfung konnte ich kaum noch stehen.

Ich half dem Kräuterweib auf die Füße und schwerfällig schlurften wir hinüber in den angrenzenden Raum, in dem die anderen Kinder mit schreckgeweiteten Augen immer noch um den Tisch herum saßen. Antoinette flüsterte dem pfiffigen Knirps etwas ins Ohr, und der sauste zur Tür hinaus.
Da die Mutter immer noch bei dem kleinen Mädchen war, ergriff ich das Wort. „Ich glaube, es besteht die Chance, dass eure Schwester wieder gesund wird.“
Auf dem Gesicht des Ältesten erschien zuerst ein zaghaftes Lächeln, das anscheinend ansteckend wirkte. Das Lächeln machte die Runde und schließlich schnatterten alle befreit und aufgeregt durcheinander.

Die Alte beugte sich zu mir, sah mir tief in die Augen und sagte mit zahnlosem Mund: „Wenn ich nur ein paar Jährchen jünger wäre, müsstet Ihr euch vor mir in Acht nehmen, Medicus.“
„Und wenn ich etwa 50 Jahre älter wäre, würde ich hemmungslos über euch herfallen“, gab ich zurück. Wir wieherten albern bei der Vorstellung und konnten uns gar nicht mehr beruhigen.
„Das würde eurem Liebchen aber bestimmt nicht gefallen“, flüsterte sie und guckte bedeutungsvoll zu meinem Knappen.
„Woher wisst Ihr …“, fragte ich erschrocken, aber die Hexe winkte nur ab.
„Ich habe ein sicheres Gespür für junge Männer, das könnt Ihr mir glauben“, kicherte sie meckernd, „und dass der da nicht echt ist, rieche ich zwei Meilen gegen den Wind. Also, wenn sie euch mal sitzen lässt, dann denkt an mich! Ich warte auf euch …“, raunte sie mit einem lüsternen Funkeln in den trüben Augen und zwinkerte mir zu.

Lärm von draußen enthob mich einer Antwort. Ein anhaltendes Fuhrwerk ließ uns besorgt aufhorchen. Nur Antoinette lächelte wissend und ging hinaus.
Sie hatte den Knirps zum Wirtshaus am Rhein geschickt und Essen bestellt. Bergeweise schleppten zwei Knechte alle möglichen Speisen herein. Kühle Weinschläuche und Krüge voller Dünnbier wurden gebracht. Der Tisch konnte die Mengen gar nicht fassen.
Wir schlemmten wie die Könige. Es war eine Freude, zu sehen, mit welcher Begeisterung die Kinder und auch die zahnlose Alte zugriffen.
Aus dem Nebenraum tönte beruhigend das regelmäßige Piepen des Herzmonitors.
Pipihannes
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Re: Türchen 13

Beitrag von Pipihannes »

Hallo

So, schnell die nächste Folge nach oben, obwohl auch diesmal "unser Thema" nicht vorkommt.

LG Pipihannes
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bluemoon
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Re: Türchen 13

Beitrag von bluemoon »

...nur Geduld - Thema kommt schon noch... ;)
Danke fürs Nach-Oben-Bringen!
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lunacy
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Re: Türchen 13

Beitrag von lunacy »

Man meint bluemoon, du hättest selbst eine medizinische Ausbildung... ;)

Aber ich denke es ist einfach nur perfekt recherchiert! Danke und gut, dass die Kleine es überstanden hat.
Grandios auch die Alberei mit der Kräuterhexe... :lol:
Viele Grüße von
lunacy 8-)
Benutzer 2042 gelöscht

Re: Türchen 13

Beitrag von Benutzer 2042 gelöscht »

"Emergency Room" im Mittelalter . . . Herz was willst Du mehr! . . . selbst George Clooney wirkt um einiges jünger und knackiger in Bluemoons Erzählung.

Bravo!
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